Montag, 30. Januar 2006

Früher tut noch immer weh

Gestern wurde ich drauf gestoßen und es tat schon weh. Eine Bekannte meinte nur sie sei zu gut für diese Welt. Woraufhin ich scherzhaft anmerkte, daß dies bei einem Engel der auf die Erde gefallen wäre ja auch kein Wunder wäre.

"Boah, bist du ein Schleimer.", kam es dann von ihr.

Und das tat echt weh. Man kann mich wohl alles nennen, Arschloch, Idiot, oder was weiß ich...aber "Schleimer" ist für mich ein ganz gemeines Schimpfwort. Woher das kommt?

Ich bin der Sohn von Lehrern. Als ich auf das Gymnasium kam durfte ich mir aussuchen: gehe ich auf das Gymnasium wo meine Mutter unterrichtet, oder auf das meines Vaters. Ich entschied mich für das meines Vaters, einfach weil es näher dran war. Mein Name ist nicht so verbreitet als daß nicht sofort jeder gewußt hätte ich bin der Sohn vom Alten...

Und das bekam ich die ganze Zeit zu spüren, bis zu meinem Abitur. Mein Vater war nicht sonderlich unbeliebt, er wurde sehr (und wir dnoch das letzte Jahr bis zu seiner Pensionierung) sehr respektiert, weil er einer der letzten Lehrer sind, die zwar streng sind, aber dennoch etwas austrahlen, was vielen anderern Lehrern einfach fehlt. Trotzdem musste ich immer jede gute Note gegen den Anspruch verteidigen sie nur erhalten zu haben weil mein vater ein Freund des Lehrers meines Faches wäre. Ich musste mich aus allen möglichem heraushalten, weil es sonst sofort meinem Vater hinterbracht worden wäre. Und ich war kein schlechter Schüler. Ich hatte meine Lieblingsfächer wie Geschichte oder Biologie, die mich wirklich interessierten (und meine Schwachpunkte wie Sprachen, Mathe oder Sport). Ständig musste ich mir anhören, daß ich ein Schleimer wäre, weil ich mich nicht in der letzten Bank verdrückte, weil ich auch mal ernste Fragen stellte oder auch meine Hausaufgaben ständig gemacht hatte o.ä.

Etwa in der 9. Klasse wurde ich übel verpügelt. Einfach so aus Spaß. Von Klassenkameraden. Kurz dachte ich daran die Schule zu wechseln, entschied mich aber dagegen. Ich blieb auch in der Klasse. Ich wollte mich nicht unterkriegen lassen. Man ließ mich vielleicht aus Respekt dafür, ich weiß es nicht, mehr in Ruhe, zumal ich dann auch meine Freunde dort hatte, aber Worte wie "Schleimer" musste ich mir dennoch bis zum Schluss anhören. Meistens natürlich von denjenigen die keine guten Noten erhielten in den Fächern, wo ich besser war. Vor allem in den "Laberfächern" wie Geschi, Religion, Politik etc.

Und noch heute hasse ich nichts wie die Pest mehr, wie als Schleimer bezeichnet zu werden. Ich, der ich niemandem in den Hintern krieche, sondern immer sage was ich denke. Und ich würde mir eher die Hand abhacken lassen, als zu Lügen und etwas zu sagen, was ich nicht auch so meine. Und darauf bin ich sehr stolz.

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Sweetielinchen - 30. Jan, 14:07

Ich muß ehrlich gestehen, manchmal rutscht mir auch ein Schleimer raus. Es ist aber meist mehr ein Versuch, die Situation herabzuspielen, weil man z.b. mit dem Kompliment nicht so umgehen kann.

Bei mir folgt dann meist die Entschuldigung direkt, wobei ich versuche es abzumildern, in dem ich Schmeichler sage. Wußte gar nicht, das man es als Lehrerkind so schwer hat. Die bei mir im Jahrgang hatten eigentlich damit keine.

Darauf, das du immer das sagst, was du denkst und meinst, darauf kannst du wirklich zu recht stolz sein. ^^

Noch 5895...

Rossi03 - 30. Jan, 15:15

Es tut mir leid das du so was durchmachen musstest :-(

Bei uns in der Schule (ist ja noch nicht so lange her) war das mit den Lehrern als Eltern kein Problem. Die Mutter meiner Freundin war auch an unserer Schule. Aber da war nie ein Problem.
Schleimer haben wir damals auch manchmal benutzt. Es gab einige, die sich furchtbar eingeschmeichelt haben, so dass der Lehrer das Wort sogar manchmal benutzte.

Ich glaub mein Jahrgang war damals sehr umgänglich. Ich war immer schon zu dick und sehr gut in der Schule und hatte wegen dem ganzen keine Probleme. War vielleicht auch der Einfluss, dass ich in einer Integrationsklasse war.
Bei uns gabs dann eher kollektives ausgrenzen anstatt Gewalt oder Beschimpfungen. Da bin ich aber auch 2 mal reingeraten wenn ich mich so richtig erinner. Das war auch nicht grad schön.

Naja was ich eigentlich sagen wollte, es tut mir sehr leid, dass du so etwas erfahren musstest. Dabei bist du so ein lieber Mensch.

tendresse - 30. Jan, 19:30

ach lieber Arwan..

Das tut mir wirklich sehr leid. Aber ich habe mich gefragt, ob es wirklich mit der Tatsache zu tun hatte, daß Du der Sohn vom Lehrer warst. Ich habe es damals auch erlebt, nur weil ich gut, interessiert und fleißig war. Ich wurde immer ein bißchen rausgehalten. Es war einfach nur neid, daß sie keinen Erfolg hatten oder daß sie vielleicht nicht so viel erreichen konnten wie Du.

Ich nehme ein anderes Gefühl vor Deiner Trauer wahr: Wut...Wut darüber, so ungerecht behandelt zu werden. und zurückgehaltene Abwehr...

Aber unter uns ist sie wirklich ein Engel? Sie scheint Deine Wörter nicht geglaubt zu haben, weil sie sich selber nicht als ein Engel betrachtet. Statt zu sagen, sie ist aber kein Engel, hast Du es abgekommen...und durch deine Vorgeschichte hast Du Dich angegriffen gefühlt, obwohl ihre Aussage genau so wenig enrst gemeint war wie "sie ist zu gut für diese Welt".

Das tut mir leid und drücke Dich ganz fest. Laß Dich diesmal auch nicht runterkriegen lieber Arwan sondern sage den Leuten, wenn Du Dich verletzt fühlst. DU wirst erfahren, daß sie das gar nicht so gemeint haben, wie Du es verstanden hast!!!

:-))))

hexamore - 30. Jan, 19:43

*dichzuerstmalganzliebdrück*
dass dich in diesem fall durch deine 'vorgeschichte' das wort schleimer getroffen hat, kann ich mir gut vorstellen. trotzdem bin ich auch der meinung wie tendresse, dass deine klassenkameraden eher neidisch auf deinen erfolg waren, als auf den punkt, dass der lehrer zugleich dein vater war.

vielleicht hat sie so reagiert, weil es ihr peinlich war, wasauchimmer... ganz sicher hat sie dich nicht absichtlich verletzen wollen!

Ynnette - 30. Jan, 20:26

Worte können so arg verletzen. Manchmal vielleicht sogar mehr, als ne Ohrfeige. Das mag dem , der etwas sagt, nicht immer so bewusst sein.
Was du erlebt hast tut mir wirklich leid, und erinnert mich an eigene Momente.

Ein Freund erzählte mir von der Situation auf ner Party, wo er in einem unbedachten Moment (Ich weiß den Zusammenhang nicht mehr) sagte „Ihr Schweine“. Ein anderer Gast verlies schlagartig die Party. Der Freund fragte nach und erfuhr, das der „Geflüchtete“ seinen besten Freund bei einem Autobrand verlor. Dieser war nach einem Unfall im Auto eingeklemmt und konnte nicht gerettet werden. Er verbrannte wohl elendlich. Seine letzten Worte waren der Ruf zur Außenwelt „Ihr Schweine“. Das wird demjenigen wohl sein Lebenslang nachhängen, und Alpträume bereiten. Hätte der Freund von mir das gewusst…..

Arwan - 31. Jan, 12:18

Um es etwas nachzuklären: Ist es schleimen, wenn man heute nicht mehr zu den Leuten gehört, die ständig im Unterricht nur MIst machen sondern die auch wirklich mal aufpassen und wirklich lernen wollen? Denn ich habe das Gefühl genau DAS ist das heutige Problem. Sogar Lehrer werden eher mißtrauisch, wenn jemand richtig mitmacht, anstatt ständig den Unterricht zu stören.

Man erwartet von den Schülern gar nicht mehr, daß sie Respekt vor dem lehrer haben oder wirklich zum Lernen anwesend sind. Ehe rist es doch eine lästige Pflicht den Vormittag zu überbrücken, um endlich zur Freizeit zu gelangen...oder?

sweets - 31. Jan, 13:12

ach arwan. du solltest wirklich darauf stolz sein, dass du deine meinung sagen kannst und selber denkst.

ich sitze in der schule und muss mir ständig dumme sprüche anhören oder hören wie ein anderer lehrer von seiner klasse gemobbt wird wegen seinem gewicht. ich fand den lehrer immer sehr nett und seine art zu unterrichten gefiel mir immer sehr gut. er respektierte uns, auch wenn viele von uns es nicht taten und da war es für mich ziemlich traurig hören zu müssen, dass eine 10. klasse ihm streiche spielen (nur um ein beispiel zu nennen. sie sägten die tischbeine an.. weil sie genau wissen, dass sich der lehrer gern auf den tisch setzt. als er sich dann draufsaß ist er >der tisch natürlich zusammengebrochen und alle lachten ihn aus, dass er ja abnehmen müsse und so weiter...)

respekt?! nicht im traum würde ich daran denken, wenn ich mir die schule von heute anschaue.
Kinkerlitzch3n - 1. Feb, 17:53

Hey Arwan!

Ich glaube, dieses Problem gab es schon immer und wird es immer geben. Mit ging es nicht anders, obwohl ich auch immer wieder kritische Wortmeldungen hatte, doch das ist auch schon zuviel für die, die sich für nichts interessieren wollen.
Erst am Abendgymnasium für Berufstätige war dies anders - dort hatten sich damals alle selbst dafür entschieden, etwas lernen zu wollen. Heute ist es dort auch nicht mehr so, im Gegenteil, die wenigsten arbeiten neben der Schule, es gibt sehr viele Schulabbrecher, die es einfach bequemer finden, tagsüber auszuschlafen und am frühen Abend zur Schule zu gehen. Das finde ich sehr schade, weil dadurch die Qualität und das Ansehen des Abendgymnasiums leidet.

Zurück zum Thema: auch in der Arbeit mußte ich mir diese Vorwürfe immer und immer wieder anhören, wenn ich mich mit Vorgesetzten gut verstand. Das führte teilweise zu echt heftigem Mobbing. Doch ich hab mich nicht unterkriegen lassen und die Situation in den Griff gekriegt.

Wie ich auch den anderen Kommentaren entnehme - Neider und Leute, die andere runtermachen, damit sie sich selbst als ein bißchen mehr wert empfinden gibt es immer. Steh drüber, du selbst kennst dich am besten!

Und zu deiner Freundin: Es ist eine weit verbreitete Unsitte Komplimente abzulehnen und abzutun. Schade, denn damit nimmt man sich nicht nur selbst die Freude die der andere machen wollte, sondern man stößt den andern auch gewissermaßen vor den Kopf.

Laß dich nicht kränken, es ist gut zu streben, wenn man darüber das Herz nicht vergißt - diese Sorge mach ich mir bei dir nicht.
Und: Außenseiter genießen ja auch Exklusivität!

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